«Aging und Arbeitswelt»
Das Basel Economic Forum, kurz BEF, ist das Wirtschaftsforum für die Metropolitanregion Basel. Es wurde vom Think Tank metrobasel initiiert und erstmals 2014 veranstaltet. Am dritten BEF wurde die metrobasel Studie Aging - Workforce vorgestellt und diskutiert. Verschiedene auch internationale Referenten gingen der Frage auf den Grund, wir ältere Mitarbeitende länger im Arbeitsprozess gehalten werden können.
Text: «metrobasel report 2016» (S. 8-12)
Das «BEF Basel Economic Forum» ist das Wirtschaftsforum für die Metropolitanregion Basel. In diesem Jahr befasste es sich mit dem Thema «Aging und Arbeitswelt». Das «BEF» fand am 18. November auf dem Novartis Campus statt. Die Resonanz auf das Thema, die Referate und Diskussionsrunden war gross. Träger des Anlasses sind metrobasel und der Arbeitgeberverband Basel. Organisiert wird der Anlass jeweils von metrobasel. Das Wirtschaftsforum «BEF» will den Wissensaustausch ermöglichen, neue Impulse setzen und den Austausch zwischen Wirtschaft, Wissenschaft, Politik, Verwaltung, Verbänden und Bevölkerung fördern. Das «BEF» befasst sich jeweils mit aktuellen Themen die für die Region wichtig sind.
Dr. Matthias Leuenberger, Delegierter Novartis Schweiz, begrüsste als Gastgeber die zahlreichen Gäste des «BEF» auf dem Novartis Campus, auf welchem 7’000 Mitarbeitende aus 94 Ländern arbeiten. Da das Thema «Aging und Arbeitswelt» auch für Novartis ein wichtiges Thema sei, habe der Konzern am KTI-Projekt und an der metrobasel-Studie teilgenommen.
Regierungsrat Christoph Brutschin überbrachte die Grussbotschaft der Basler Regierung. Er lobte das «BEF», das sich jeweils aktuellen Themen annimmt und dazu einen wichtigen Diskussionsbeitrag leistet. Im gesunden Älterwerden stecken viele Chancen, nicht nur für jede und jeden von uns, sondern auch für die Wirtschaft. Bedingt durch die demografische Knappheit an Arbeitskräften sind ältere Arbeitnehmende im Arbeitsmarkt unverzichtbar. Arbeitsmarkt und Altersvorsorge sind deshalb gefordert auf diese Herausforderung flexibel einzugehen. Die Politik müsse dafür die nötigen Grundlagen schaffen. «Wir müssen schauen, dass wir die Leute im Arbeitsleben behalten können», sagte Regierungsgrat Brutschin. Teilzeitarbeit soll vermehrt möglich sein, besonders für Menschen, die gegen das Pensionierungsalter gehen.
«Weil die Bevölkerung altert, werden der Schweiz in den kommenden Jahren – ohne Zuwanderung – die qualifizierten Fachkräfte fehlen», meinte die Direktorin und «BEF»-Organisatorin Regula Ruetz. In den kommenden zehn bis zwanzig Jahren werden die Industrieländer, darunter auch die Schweiz, einen massiven demografischen Wandel erleben, da die Menschen erfreulicherweise immer älter werden aber gleichzeitig prozentual die Geburtenraten sinken. «Schon heute scheiden mehr Personen aus Altersgründen aus dem Erwerbsleben aus, als dass Junge in die Erwerbstätigkeit eintreten.» Der Mangel an Fachkräften wird sich durch die Pensionierung der «Babyboomer» noch akzentuieren. In vier Jahren werden beispielsweise im Pflegebereich 85’000 Fachleute fehlen. «Woher sollen diese kommen, wenn auch die umliegenden Industrienationen überaltern?» Das Potenzial der älteren Fachkräfte müsse deshalb dringend besser genutzt werden. Gleichzeitig müssten die Bedingungen für ältere Arbeitnehmende flexibel angepasst werden können, etwa die Möglichkeit, Teilzeit zu arbeiten. «Esmuss uns gelingen, den Unternehmen das vorhandene Wissen und die Erfahrung von älteren Mitarbeitenden länger zu erhalten.»
Prof. Dr. Dr. h.c. Joachim Möller, Direktor des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg, bündelte in seinem Referat Erkenntnisse aus der Arbeitsmarktforschung. «Die Alterung ist nicht aufhaltbar, aber der gesellschaftliche Wandel ist gestaltbar.» Auch in Deutschland werde die Bevölkerung schnell und massiv älter. Die Lebenserwartung würde jeden Tag um dreieinhalb Stunden steigen, das sei erfreulich. Das habe aber weitreichendere Folgen als nur mehr Rollatoren und mehr Medikamente, meinte Möller. Es werde zu einem gewaltigen Beschäftigungsrückgang kommen. Auch die Bevölkerungsstruktur werde sich landesweit verändern: Junge ziehen in die Zentren, während ländliche Gebiete überaltern. Das gelte auch für die Schweiz. Die Politik käme nicht umhin, die richtigen Weichenstellungen vorzunehmen. Dafür brauche es konzertierte Aktionen mit den Unternehmen. Die ökonomischen Konsequenzen würden sich auf die Finanzierung der Altersvorsorge auswirken. Er habe diesbezüglich aber eine gute Nachricht: Ältere stellten ein immer grösseres Arbeitskräftereservoir dar. Die Erwerbsquote der 50- bis 64-Jährigen sei seit 2005 in Deutschland wieder angestiegen, von 20% bereits auf über 50% in dieser Alterskategorie. Entsprechend steigen auch deren Sozialversicherungsbeiträge, was tendenziell die Kassen entlastet. Altersteilzeit und die Einbeziehung Älterer in betriebliche Weiterbildungsprogramme seien deshalb sehr wichtig. «Bei den Unternehmen hat teilweise ein Umdenken stattgefunden.» Bei der Arbeitslosigkeit im Alter sei es jedoch wie bei der Grippe: «Ältere bekommen sie seltener, aber wenn sie ausbricht, dauert sie länger», meinte Möller. Denkbar sei, dass Roboter gewisse altersinduzierte Fachkräftemängel ausgleichen könnten. «Werden wir ärmer?» fragte der Basler Ökonom Prof. Dr. Urs Müller im Format «nachgeforscht» den Kollegen aus Deutschland. «Das Pro-Kopf-Einkommen muss nicht zurückgehen. Aber die Übergangszeiten werden kosten», sagte Möller. Was die Arbeitslosigkeit anbetrifft seien die Regionen sehr unterschiedlich unterwegs, auch bezüglich Branchen und Ausbildungsgrade gibt es riesige Unterschiede. «Es gibt ein Nicht-Zusammenpassen von Angebot und Nachfrage», so Möller. Deutschland reagiere darauf mit Umsiedlungs- und Weiterbil dungsprämien. Ein Problem sei jedoch, dass die Produktivität zu wenig steige. Dafür brauche es eine Produktivitätsoffensive.
Der Soziologe
Prof. Dr. Dirk Hofäcker vom Institut für Sozialpolitik der Universität Duisburg–Essen stellte fest, dass die Beschäftigungsquote von Älteren bis Mitte der 90er Jahre gesunken war, dann aber wieder anstieg. «Frühverrentung wird heute nicht mehr als finanziell tragbar angesehen», meinte er. Das Institut untersuchte in elf verschiedenen Ländern, welche Faktoren und Anreize für eine längere Erwerbstätigkeit massgebend sind. Die Unterschiede zwischen den Ländern sind erheblich, dafür verantwortlich sind verschiedene Faktoren: Rentensysteme, Anreize zum (vorzeitigen) Ausstieg aus dem Erwerbsleben, Verdrängung älterer Arbeitnehmer wegen unzureichender Qualifikationen und Lohnkosten respektive Kündigungsschutz. Am erfolgreichsten im internationalen Vergleich erweist sich Schweden, ein Land, das kaum Anreize für einen vorzeitigen Ruhestand hat und die Beschäftigungsfähigkeit von älteren Arbeitnehmern auch durch laufende Weiterbildung ausgeprägt fördert. Schweden gelinge es zum einen, das hohe Erwerbsniveau (70% der 60 – 64-Jährigen) trotz flexibler Ruhestandsgrenzen zu erhalten. Die älteren Schweden arbeiten mehrheitlich über das Pensionsalter hinaus: nicht aus finanziellen Gründen, sondern weil sie es können und wollen. Soziale Unterschiede sind für den Austritt aus der Erwerbstätigkeit
nur von geringer Bedeutung. In Deutschland und auch in der Schweiz sehe man, dass Personen mit geringer Bildung und tieferem Einkommen abgehängt zu werden drohen. Diese seien für den Ruhestand nicht ausreichendversichert und würden deshalb gezwungenermassen über das Rentenalter hin aus arbeiten. Bei gut Ausgebildeten sind finanzielle Gründe weniger ausschlaggebend.
«Wie sicher sind Sie, dass die Defizite in der Altersintegration behoben werden?» forschte Prof. Dr. Müller nach. «Die Politik ist gefordert und deshalb ist das mit Unsicherheiten behaftet», antwortete Hofäcker.
Dr. Monika Engler, Dozentin und Projektleiterin am Zentrum für wirtschaftspolitische Forschung der HTW in Chur stellte sodann die neue metrobasel-Studie «Aging - Workforce», welche Teil eines KTI-Projektes ist, vor. Das Ziel der Studie ist, das Potenzial von älteren Erwerbstätigen zu erkennen und zu mobilisieren. Grundlage der Studie bildet eine breite Befragung von Angestellten und Vorgesetzten von Novartis und SBB. Gestellt wurden Fragen zu Motivation, Sinnhaftigkeit, Weiterbildung, Image, monetäre Anreize, Leistungsbereitschaft, Kompetenzen, Arbeitsbedingungen, Mitarbeiterförderung, Aussicht auf neue Arbeitsstelle, Weiterbildung und die Einstellung gegenüber älteren Mitarbeitenden. Gemäss Engler würden Führungskräfte die altersspezifischen Stärken durchaus erkennen. Erfahrung sei zentral und werde auch breit geschätzt. Gleichzeitig würden die Chancen auf dem Arbeitsmarkt tiefer eingeschätzt. «Job Crafting» heisst das neue Zauberwort. Es bedeutet so viel wie: mehr aus dem Job machen können. Dies kann über eine verbesserte Arbeitsleistung erfolgen, durch Ausprobieren von neuen Ein- und Umsetzungsmöglichkeiten oder Übernehmen von neuer Verantwortung. «Wer viel Initiative entwickelt, bleibt länger im Arbeitsprozess. Deshalb ist die Eigeninitiative sehr wichtig», sagt Engler. Eine Grundbedingung für ein Weiterarbeiten nach der Pensionierung ist, dass die Gesundheit und Leistungsfähigkeit noch vorhanden sind. «Es geht weniger um monetäre Fragen.» Flexible Arbeitszeiten erforderten geeignete Instrumente der Personalbeurteilung und -förderung. Nachdenklich stimmt, dass über die Hälfte der über 50-Jährigen eine vorzeitige Pensionierung plant. Die Ergebnisse kontrastieren zum Teil stark mit den Erfordernissen auf dem Arbeitsmarkt in der Schweiz: In einigen Bereichen ist der Arbeitsmarkt bereits ausgetrocknet. Dies wird sich noch verstärken, weil die Babyboomer-Generation langsam ins Pensionierungsalter kommt und gleichzeitig weniger Junge in den Arbeitsmarkt eintreten. 80 Prozent der Befragten signalisieren jedoch gleichzeitig eine hohe Bereitschaft, länger im Erwerbsleben zu verbleiben, wenn die Bedingungen stimmen. Diese Ergebnisse beziehen sich – wie auch die anderen in diesem Bericht – auf die Situation bei Novartis Schweiz und der SBB, wo die Datengrundlage erhoben wurde. Am Rande des «BEF» erklärte die Studienmitverfasserin Monica Engler, dass der Wunsch nach Frühpensionierung allerdings relativ sei. «Wenn man die Leute fragt, was ändern müsse, dass jemand gerne weiter arbeiten würde, sagen 44% klar, dass die Arbeitsbedingungen besser sein müssten.» Beispielsweise müssten die Möglichkeit von Teilzeitarbeit offeriert werden, eine bessere Vereinbarkeit mit Freizeit- und Familienbedürfnisse und eine bessere Anpassung der Arbeit an die Fähigkeiten. Auch sollte eine Neuorientierung möglich sein. «Würden solche Möglichkeiten geboten, sind es nur noch 20 Prozent, die wirklich sagen: Ich gehe mit 64 oder 65 in Rente.» Die Firmen haben es also bis zu einem gewissen Grad in der Hand, die Fachkräfte-Knappheit zu überwinden.
Breakout Session «Aus dem Arbeitsleben herausgleiten können ist eine sehr schöne Möglichkeit» sagte Möller in der folgenden Diskussionsrunde und plädierte für ein «soft landing» für die Pensionierung. Angesprochen auf die effiziente Arbeitsweise der verschiedenen Altersgruppen meinte er: «Die Jungen rennen zwar schneller, aber die Alten kennen die Abkürzungen.» «Viele Menschen sind aus wirtschaftlichen Gründen gezwungen, weiter zu arbeiten», stellte Hofäcker fest. Es existiere aber gleichwohl ein grosser Gestaltungsraum, um Verbesserungen zu erreichen. «Frauen wollen interessante Arbeit. Männer wollen eher reduzieren.»
Studienverfasserin Monica Engler ergänzte, dass die Leute ausstiegen, weil die Bedingungen nicht mehr stimmen. «Die Arbeit muss bereichernd sein.»
Der Soziologe
Prof. Dr. Francois Höpflinger, der ebenfalls an der Diskussionsrunde teilnahm, gab zu bedenken: «Ohne die Älteren kann unsere Zivilgesellschaft nicht mehr funktionieren.» Die jungen Festangestellten hätten Vorbehalte, weil die älteren Teilzeitarbeitenden Rosinen picken würden. Wie auch immer: Ein gutes Arbeitsklima helfe, jemanden im Betrieb zu behalten – auch ältere Arbeitnehmer. Eine durchmischte Belegschaft könne hier einen wichtigen Beitrag leisten. «Ältere Männer überschätzen oft ihre Erfahrung», meinte Höpflinger.
Nach einem Networking-Lunch, der aus giebig für bilaterale Gespräche genutzt wurde, eröffnete
Barbara Gutzwiller, Direktorin des Arbeitgeberverbandes Basel, das Nachmittagsprogramm. Sie sprach die teilweise reduzierte Arbeitsmarktfähigkeit älterer Arbeitnehmer an. «Das grösste Problem liegt wahrscheinlich darin, dass allfällige Leistungsdefizite bei älteren Mitarbeitern nur selten angesprochen und deshalb auch nicht rechtzeitig behoben werden.» Dem liesse sich vorbeugen, indem man sich beispielsweise gegen Ende der Berufstätigkeit auf eine «einfachere» Arbeit mit weniger Verantwortlichkeit und tieferem Lohn einige. Aber auch indem man mit gezielten Massnahmen das Wissen aller Mitarbeiter à jour halte, meinte dieArbeitgeberdirektorin. Es lohne sich, in die älteren Arbeitnehmer zu investieren, denn so liessen sich auch unnötige Personalfluktuationskosten einsparen. Zudem erbrächten altersgemischte Teams erwiesenermassen die besten Leistungen. Richtig gefördert und eingesetzt bildeten die älteren Mitarbeiter deshalb eine wertvolle Ressource, gerade in Zeiten eines Fachkräftemangels.
Thomas Weber, Regierungspräsident des Kantons Basel-Landschaft, ging auf einige wichtige, den Kanton betreffende Punkte ein. Dem Kanton stehe eine starke Überalterung bevor. Im Wissen um die Tatsache, dass es für über 50-jährige Arbeitnehmer schwierig ist, wieder eine Stelle zu finden, seien Einarbeitungszuschüsse vorgesehen. Die gesetzlichen Möglichkeiten würden deshalb grosszügig ausgelegt. Mit dem «55+Programm» würde auf die Stärken und Fähigkeiten der Betroffenen eingegangen. Gründe für eine längere Arbeitslosigkeit von Älteren seien sehr unterschiedlich. Langjährige Laufbahnen ohne Weiterentwicklung, fehlende Offenheit, mangelnde Flexibilität oder auch die Gesundheit können beispielsweise dafür verantwortlich sein.
Prof. em. Dr. George Sheldon, Professor für Arbeitsmarkt- und Industrieökonomik forschte bei Weber nach, ob der Rückgang der Arbeitslosigkeitsdauer von im Schnitt 7,5 auf 6 Monate relevant sei, da Arbeitslose aus der Statistik fallen, wenn sie in einem Massnahmenprozess seien. Wissen wollte er auch, ob der Kanton Baselland eine Alterspolitik als Arbeitgeber habe. «Wir haben eine Verantwortung für die Leute, die pensioniert werden. Das Berufsende soll nicht zu abrupt folgen. Besonders bei Führungskräften ist das ein Problem. Zudem soll auch das Knowhow gesichert werden», antwortete Weber.
Dr. Boris Zürcher, Leiter der Direktion für Arbeit im Staatsekretariat für Wirtschaft (SECO), erklärte, dass die Frühpensionierungen zurückgegangen seien, nämlich von 27 auf 22% im Zeitraum 2001 bis 2012. An die anwesenden Vertreter der Wirtschaft gewandt meinte er: «Man muss die Rollenverteilung zwischen Staat und Wirtschaft genau ausdifferenzieren. Der Staat soll in erster Linie gute Rahmenbedingungen schaffen und nicht negative Erwerbsanreize setzen». Mit einem Alter von 62 Jahren komme man heute mit Geldern, die den älteren Arbeitslosen zustünden, bis zum Pensionierungsalter durch. «Wir sind in einer Wissensgesellschaft» fuhr er fort. Ein wesentlicher Grund des Erfolges der Schweiz sei, dass man hierzulande immer wieder einen Strukturwandel mitgemacht und mitgetragen habe. Allerdings ortete Zürcher auch ein Problem: «Heute gibt es praktisch kein Produktivitäts wachstum mehr.» Sheldon hakte nach: «Kann das Sozialwerk mit einer Erhöhung des AHV- Alters überhaupt reformiert werden? Bislang seien AHV-Reformen immer abgeschmettert worden.» Zürcher ortete ein politökonomisches Problem: Die 50+-Generation habe abstimmungstechnisch bereits die Mehrheit. Sie könnten also für sich stimmen. Auf die Zuwanderung werde die Schweiz nicht verzichten können. «Sorgen machen wir uns um Menschen, die ausgesteuert werden. Die müssen wieder zum Markt geführt werden. Wir schöpfen das Potenzial in der Schweiz noch nicht genügend aus.»
«670’000 zusätzliche Rentner werden wir in der Schweiz bis 2030 haben. Das entspricht einem Plus von 45 Prozent», damit eröffnete
Dr. Jérôme Cosandey vom Think Tank Avenir Suisse seine Ausführungen. Keine andere Altersgruppe wachse so schnell. Diese Menschen stellten einen grossen, wachsenden (Senioren-)Markt dar. «Es ist ein Wandel im Gang. Langfristig wird dieser auch den weniger Qualifizierten nützen. Denkbar ist auch punktuelle Teilzeitarbeit: drei Wochen arbeiten, drei Wochen frei.» 33 Prozent arbeitete 2008 über das Rentenalter hinaus. Das habe eine bemerkenswerte Wirksamkeit auf die Beschäftigung: «Wird zwei Monate lang über das Pensionierungsalter zu 100 Prozent gearbeitet, entspricht dies 8’000 Stellen; bei 12 Monaten zu 50 Prozent entspricht es immer noch einem Äquivalent von 25’000 Stellen.» Senioren seien seltener arbeitslos, aber wenn, dann suchten sie länger eine Stelle. Die Politik müsse aufpassen, dass keine kontraproduktiven Schutzmassnahmen für ältere Arbeitnehmer erlassen würden, beispielsweise ein Kündigungsschutz für über 55-Jährige, warnte Cosandey. Denn das richte sich direkt gegen die zu Schützenden. Wäre dann ein Arbeitgeber nämlich vor ie Wahl gestellt, einen 55- oder einen 45-Jährigen anzustellen, käme sicher der Jüngere zum Zug. Das Alter als Basis für die Höhe des Lohns zu nehmen, erachtet er zudem als falsch. Cosandey plädierte dafür, dass man mehr auf die Anzahl der Betriebsjahre abstelle, denn langjährige Mitarbeiter hätten für Firmen Kostenvorteile.
Dr. Thomas Bösch, Leiter HR Schweiz und Country HR Coordination, Novartis Pharma AG, ging auf die Resultate der metrobasel Studie ein. «Wir spüren einen Fachkräftemangel und sind auf die älteren Mitarbeitenden angewiesen.» Im Rahmen der metrobasel-Studie seien 2’500 Mitarbeitende befragt worden. Der Rücklauf der Umfrage sei mit über 50 Prozent über Erwarten hoch gewesen. «Die Studie trifft einen relevanten Punkt.» Nach dem Wechsel vom Leistungs- zum Beitragsprimat seien die freiwilligen Frühpensionierungen bei Novartis nicht mehr so häufig, aber sie seien noch immer ein Thema. Ältere lernten gleichschnell wie Junge, wenn sie das regelmässig tun. «Es ist ein wenig wie beim Orientierungslauf. Geschwindigkeit ist wichtig, aber es braucht auch jemand, der Karten lesen kann. Der Schnelligkeit, mit der jemand rennt wurde früher mehr Beachtung geschenkt. Heute ist Kartenlesen wieder zunehmend wichtiger.» «Manager gehen in die Frühpension, und können danach freiwillig, temporär angestellt werden.» In den Fokus rückt er das «Talent Management», bei dem die Eigenverantwortung gefördert werde. Das Thema müsse aber schon frühzeitig angepackt werden und es brauche ehrliche Leistungs- und Verhaltungsbeurteilungen. Sheldon stellte fest, dass bei Novartis keine grössere Pensionierungswelle zu erkennen sei, im Gegensatz zur SBB, wo viele Lok-Führer vor der Pensionierung stünden, was einen Personalengpass auslösen werde. Dass Novartis vergleichsweise gut dastehe, führte Bösch auf das Business-Konzept zurück.
«Viele Leistungen werden extern erbracht, viele Frühpensionierte sind jetzt selbständig. So kann das Wissen weiter genützt werden, und zwar flexibel.» Ein interessantes Beschäftigungmodell für Führungskräfte präsentierte
Renato Merz, Geschäftsführer der Consenec AG. Die Firma wurde 1993 von ABB Schweiz gegründet. Trägerfirmen sind ABB, Bombardier und GE. Die Beschäftigungsfirma für Kader, beschäftigt derzeit 34 Topmanager. Sie treten mit 60 in die Consenec ein und werden zu 50 Prozent Basislohn fest entschädigt. Weitere 50 Prozent sind leistungsabhängig.
Podium
Das anschliessende Podium unter der Leitung von Frank Linhart, Bereichsleiter Öffentlichkeitsarbeit des Arbeitgeberverbandes Basel stand unter dem Titel: «Die ältere Belegschaft – eine unverzichtbare Ressource in der Arbeitswelt.» Die Diskussion fasste patchworkartig nochmals die wichtigsten Themen des Tages zusammen. Das Publikum nutzte die Möglichkeit im Rahmen dieser Podiumsdiskussion den Referenten Fragen zu stellen und Anregungen zu äussern. «Niemand outet sich als Senior. Die Lebensstruktur entspricht nicht unserer Lebenserwartung.» Prof. Dr. François Höpflinger
Zum Schluss dankte Regula Ruetz allen Referenten, dem Gastgeber Novartis und allen Sponsoren des BEF im Namen von metrobasel und dem Arbeitgeberverband Basel als Co-Träger. Als Vertreter des Gastgebers Novartis lud Dr. Matthias Leuenberger zum Abschluss alle Anwesenden zu einem Apéro riche ein, der ausgiebig zum Meinungsaustausch und der Netzwerkpflege genutzt wurde.