«Veränderungen in der Arbeitswelt: Digitalisierung, Aging, Fachkräftemangel...»
Das «BEF Basel Economic Forum» ist das Wirtschaftsforum für die Metropolitanregion Basel. In diesem Jahr befasste es sich mit dem Thema «Veränderungen in der Arbeitswelt: Digitalisierung, Aging, Fachkräftemangel...». Das «BEF» fand am 17. November im Hyperion statt. Die Resonanz auf das Thema, die Referate und Diskussionsrunden war gross. Träger des Anlasses sind metrobasel, der Arbeitgeberverband Basel und JUP (Jungunternehmerpreis Nordwestschweiz). Organisiert wird der Anlass jeweils von metrobasel. Das Wirtschaftsforum «BEF» will den Wissensaustausch ermöglichen, neue Impulse setzen und den Austausch zwischen Wirtschaft, Wissenschaft, Politik, Verwaltung, Verbänden und Bevölkerung fördern. Das «BEF» befasst sich jeweils mit aktuellen Themen die für die Region wichtig sind.
Thomas Weber, Vorsteher der Volkswirtschafts- und Gesundheitsdirektion des Kantons Basel-Landschaft eröffnet. In seiner Begrüssungsrede ging er mit humoristischen Bildern auf die Digitalisierung, Roboter und die älter werdende Bevölkerung ein. «Die Bevölkerung wird durchschnittlich älter. Mit dem Übertritt der Babyboomer-Generation von der Erwerbstätigkeit ins Rentenalter werden bis 2025 eine halbe Million Erwerbstätige aus dem Arbeitsmarkt ausscheiden.
In der Industrie wurden zwar ein Jahrhundert lang viele Arbeitsplätzen geschaffen, seit 1960 sind diese aber wieder von 50 Prozent auf gegen 20 Prozent gemessen an der Gesamtbeschäftigung zurückgegangen. Natürlich trage auch die Globalisierung zu den veränderten Arbeitsplätzen bei: Jobs in der Produktion aber auch in der IT wurden vielfach ins günstigere Ausland ausgelagert. Gleichzeitig seien aber mehr neue Arbeitsplätze entstanden, vorwiegend für gut ausgebildete Fachkräfte. Davon werde jedoch in den Medien kaum gesprochen!
Dank den wettbewerbsfähigen Rahmenbedingungen sieht Ruetz die Aussichten für die Schweizer Wirtschaft und den Arbeitsmarkt als gut an: «Wir sind Innovations-Weltmeister und im Regulierungsranking der Weltbank an 7. Stelle – zwar nach Singapur, Ruanda und Katar aber immerhin vor Deutschland (an 18. Stelle) und den USA (an 29. Stelle)». Deutlicher Investitionsbedarf bestehe jedoch bei den Infrastrukturen, der Datennutzung und -Regulierung aber auch bei der Bildung hinsichtlich IT-Kompetenzen. Diesbezüglich laufe die Schweiz Gefahr den Anschluss an andere europäische Länder zu verpassen, welche bereits viel besser auf die digitale Zukunft vorbereitet seien als wir.
Auf diese Frage ging Dr. Roger Wehrli, Stv. Leiter Allgemeine Wirtschaftspolitik & Bildung bei economiesuisse und Co-Autor «Zukunft digitale Schweiz» detailliert in seinem Vortrag ein. Digitalisierung führe zu Veränderung, Veränderung zu Verunsicherung, Verunsicherung zu Unvernunft. Dabei hätten wir alle bisherigen industriellen Revolutionen sehr gut gemeistert. Das Resultat seien ein jeweils höherer Lohn, mehr Freizeit, eine Stärkung der Arbeitnehmerrechte und eine tiefe Arbeitslosigkeit gewesen. In der Summe seien viele neue Arbeitsplätze geschaffen worden. In den letzten hundert Jahren seien gewisse Branchen geschrumpft, beispielsweise die Textilindustrie, andere aber gewachsen, z. B. die Banken- und Versicherungsbranche oder der Handel. Als Verlierer der digitalen Revolution sieht er Arbeitsstellen mit repetitiven Tätigkeiten und Routinearbeiten vor allem im mittleren Qualifikationsniveau. Die Gewinner seien Berufe mit höherem Qualifikationsniveau oder Berufe mit persönlicher Interaktion und solche, wo Selbst-, Sozial-, Handlungskompetenz und Kreativität erforderlich seien. Arbeitsroboter können sehr wohl hilfreich sein, beispielsweise in Kleinbetrieben als Unterstützung bei der Verrichtung von schwerer Arbeit.
Der Leiter dieser Breakout Session, Prof. Dr. Wolfram Schottler, Leiter Marketing und Unternehmensentwicklung des Privatklinikums Sigma-Zentrum Bad Säckingen, versuchte einen Wechsel der Blickrichtung: Die Diskussion drehte sich nicht um die oft technik-affirmative Betrachtung, sondern um den Menschen im Mittelpunkt der künftigen Entwicklung. Unübersehbar sind digitale Trends, welche zur Beschleunigung von Innovationen beitragen und neue Produkte, Automatisierung, Kommunikations-, und Arbeitsweisen entstehen lassen. Diese Veränderungen erfordern vielfach Umdenken, lebenslanges Lernen, andere Lebensumstände und Verlust von Vertrautem: Mithalten im Wandel wird zur Herausforderung oder gar zum Stress. Aus Sicht einer Klinik mit wachsenden Fallzahlen bei Depressionen, zeigen sich auch Schattenseiten der digitalen Welt: Menschen fühlen sich gescannt, gescored, gerankt, gescreent oder aussortiert. Digitalisierung und Globalisierung bringen keine Produktivitätsverbesserung, sondern nur neue Qualifikationsanforderungen und dies in einer Entwicklungsgeschwindigkeit, die schneller ist als jede Weiterbildung. Es entstehen Verlustängste, da neue Jobs meist nicht dort anfallen, wo alte verloren gehen. Menschen empfinden zudem ein geringes Selbstwirksamkeitserleben bei ihren Tätigkeiten, oft mit der Folge von Entfremdung und Burnout. Belastend ist auch das häufige Versagen von Sozialsystemen und gewohnten Arbeitsbedingungen in der digitalen Arbeitswelt: Manche neue Arbeitsform entkoppelt sich von wichtigen Sozialstrukturen. Als Beispiele seien hier der Fahrdienst Uber und die vermehrt projektbezogene Crowdwork-Tätigkeiten mit (Schein-)Selbständigerwerbenden genannt.
Die Teilnehmenden der Breakout Session diskutierten, welche Veränderungen durch die Digitalisierung auf personalintensive Branchen zukommen werden. Im Zentrum stand die Frage, wie sich Unternehmen und Mitarbeitende bestmöglich darauf vorbereiten können.
Im «Talk» diskutierten die Panelteilnehmenden unter anderem, wie die Digitalisierung und der demografische Wandel die Arbeitswelt verändern werde und ob der Wandel in eine positive oder negative Richtung gehe. Die spannende Konversation zwischen Prof. Dr. Fabiola H. Gerpott, Dr. Roger Wehrli und Prof. Dr. Toni Wäfler wurde von Prof. Dr. Urs Müller geleitet. Die Zuhörer konnten mitdiskutieren und den Experten Fragen stellen. Erörtert und diskutiert wurde beispielsweise, welches die Hebel sind, um die digitalen Entwicklungen positiv zu beeinflussen und nicht einfach Opfer zu sein. Ein Ansatz wäre, die Kombination von Mensch und Technik zu fördern und die Implementierung neuer Technologien in Unternehmen strategisch zu planen. Da sich die Entwicklung immer mehr beschleunige, werde der Generationenkonflikt in Zukunft grösser sein als heute, so die Annahme von Wäfler. Gerpott sieht eine grosse Herausforderung darin, den «Gap» zwischen den Generationen in der Zukunft zu reduzieren. Ein möglicher Weg sei der Aufbau von intergenerationellen Arbeitsteams, die bei ihrer Arbeit in verschiedenen Projekten professionell begleitetet werden. Auf jeden Fall sollten wir uns frühzeitig darüber Gedanken machen, wie wir es schaffen, dass sich die Mitarbeitenden ein Leben lang weiterentwickeln. Diesbezüglich sind die Führungskräfte gefordert. Als Psychologe ging Wäfler auf den emotionalen Hintergrund des digitalen Wandels ein. Die allfällige Antipathie der Menschen richte sich im Grunde genommen nicht gegen die neue Technik. Der Mensch habe aber Angst vor dem Kontrollverlust. Die Mitarbeitenden hätten Angst, dass die Roboter Ihre Arbeit übernehmen könnten, und sie dadurch ihre Positionen, Respekt und Anerkennung verlieren. Deshalb sei gegenseitiges Vertrauen innerhalb einer Organisation sehr wichtig. Nur so können Führungskräfte erreichen, dass die Mitarbeitenden auf dem Weg der Digitalisierung motiviert mitgehen würden. Wehrli ergänzte, dass man den Menschen auch Sicherheit und Perspektiven bieten müsse, um sie zu motivieren. Auf die provokative Frage von Müller, ob uns die Arbeit in der Schweiz ausgehe, war man sich einig, dass Jobs wegrationalisiert würden und sich das Anforderungsprofil an Mitarbeitende durch die Digitalisierung eindeutig verändern werde. Gleichzeitig hätten wir aber einen Fachkräftemangel, da viele Babyboomers in den nächsten Jahren in Rente gehen werden.
Vertieft ging sie auch auf die Altersstruktur bei der Bundesverwaltung ein, wo zurzeit zahlreiche Angestellte über 50 Jahre alt seien. Ein gutes Gesundheits- und Wissensmanagement sei deshalb sehr wichtig. Dafür seien primär die Führungspersonen verantwortlich. In der Bundesverwaltung gäbe es schon heute flexible Arbeitsformen, Teilzeitjobs, Home-Office sowie die Möglichkeit für eine Bogenkarriere. Am Nachmittag wurden die «nachgeforscht»-Interviews von Dr. rer. pol. Brigitte Guggisberg, Geschäftsleiterin des WWZ Forum der Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät der Universität Basel, geleitet. Ihre erste Frage betraf die Kosten für die Weiterbildung von älteren
Dr. Stephan Mumenthaler, Präsident der Life-Sciences-Kommission der HKbB, thematisierte die Bedeutung der Digitalisierung für die Life Sciences. Er stellte die Life-Sciences-Strategie der Handelskammer beider Basel vor und ging auf die «Precision Medicine» ein. Die neuen Technologien würden eine Individualisierung ermöglichen und den Patienten in den Mittelpunkt rücken. Die Entwicklung in diesem Bereich sei rasant und unsere Region habe das Potenzial, weltweit zu einem führenden Standort der «Precision Medicine» zu werden. Dafür müsse aber noch das Potenzial besser ausgeschöpft werden. Zum Beispiel bei den regulatorischen Rahmenbedingungen oder der Aktualisierung des Datenschutzgesetzes. Dafür müssen Wirtschaft und Politik eng zusammenarbeiten.
Nadine Gembler, Leiterin HR der Coop Genossenschaft, zeigte am Beispiel Coop Auswirkungen auf, welche die Digitalisierung auf den Detailhandel hat. Verhindern liesse sich die digitale Entwicklung nicht. Und ja, es gäbe Verlierer und Gewinner. Talente und gute Jobs seien gefragt. Sicherlich hätten Pfleger bessere Zukunftsaussichten auf einen Job als Verkäufer. Der Detailhandel sei heute mit 370ʼ 000 Beschäftigten die Nummer 1 in der Schweiz unter den privaten Arbeitgebern. Jeder 14. Arbeitsplatz entfalle auf den Detailhandel, welcher deshalb eine hohe volkswirtschaftliche Bedeutung habe. Wegen der Verlagerung der erforderlichen Qualifikationen und Kompetenzen der Beschäftigten durch den Einzug der
Im Referat «Architektur digital und global» ging Adrian Keller, CEO von Herzog & de Meuron, auf die Entwicklungen in der Architektur- und Baubranche ein. Sehr viele Arbeiten in der Planung würden bereits heute digital und software-basiert durchgeführt. Während früher der Hochbauzeichner mit Bleistift und Tusche Pläne präzis und aufwändig gezeichnet habe, würden heute digitale 3D-Modelle auf Basis von
elektronischen Daten angefertigt. Auch sei es heute dank digitalen Anwendungsmöglichkeiten sehr viel einfacher als Architekten global tätig zu sein. Dank «virtual- und augmented reality» würden zudem architektonische Entwürfe für den Kunden erlebbar und realitätsnah sichtbar. Keller lieferte dazu gleich eine eindrückliche 3D-Hausbesichtigung, welche die Teilnehmenden sehr faszinierte.
Podiumsdiskussion Schon der Einstieg in die Diskussionsrunde war äusserst aufschlussreich: Barbara Gutzwiller, Direktorin des Arbeitgeberverbands Basel, konstatierte, dass es in Zukunft ein erheblicher Unterschied sein werde, ob man bei einem grossen, finanzstarken Unternehmen oder bei einem KMU arbeite. Um mit der digitalen Revolution Schritt halten zu können, müssten nämlich erhebliche Ressourcen investiert werden. Dies können sich jedoch vorwiegend nur grosse Firmen leisten. Dazu gehören aber nur ein Prozent der Unternehmen in der Schweiz. Deshalb würde die Digitalisierung die meisten kleineren Unternehmen wahrscheinlich hart treffen. Die Podiumsdiskussion unter der kundigen Leitung von Martin Eichler, Chefökonom und Geschäftsleitungsmitglied bei der BAK Economics AG, ging auf die wichtigsten Kernaussagen aus den vorangegangenen Vorträgen ein. Von den Teilnehmenden wollte er wissen, wie unsere Arbeitswelt von morgen aussehe, was wir tun müssen, um die Chancen zu nutzen und die Risiken zu minimieren und welche Auswirkungen die Digitalisierung auf die Gesellschaft und das politische System habe. Diese Fragestellungen diskutierten der Basler Regierungsrat Christoph Brutschin, Dr. Stephan Mumenthaler, Präsident der Life-Science-Kommission der Handelskammer beider Basel, Adrian Keller, CEO vom renommierten Architekturbüro Herzog & de Meuron, Nadine Gember, Leiterin HR der Coop, Barbara Gutzwiller, Direktorin des Arbeitgeberverbands Basel auf dem Podium, welches auf die verschiedenen Vorträge des Tages einging und den offiziellen Teil des BEF Basel Economic Forum beschloss. Gembler sieht die Digitalisierung als globalen Megatrend, welcher zu grösseren gesellschaftlichen Veränderungen führen wird, da Maschinen, Computer und Roboter viele Fähigkeiten der Menschen ersetzen, erleichtern und ergänzen werden. Bei der Empathie sieht sie die grosse Stärke der Menschen, da Roboter (noch) nicht das Gegenüber lesen oder unkonventionell reagieren können. Einig waren sich die Teilnehmenden, dass wir in Zukunft kaum mehr um eine ständige Weiterbildung – life long learning – kommen werden. Regierungsrat Brutschin unterstrich, dass im beruflichen Werdegang von Erwerbstätigen das sogenannte on-the-job training eine immer wichtigere Rolle spielen werde. Gleichzeitig lobte er unser gutes duales Bildungssystem, welches eine hohe Durchlässigkeit und Weiterbildung ermögliche. Insbesondere bei der beruflichen Grundbildung sieht er jedoch grossen Anpassungsbedarf. Die Schulen müssten weniger Fertigkeiten lernen dafür mehr Kompetenzen vermitteln. Für die Zukunft sei wichtig, dass den Schülern und Auszubildenden mehr Methodenkompetenz beigebracht würde, also die «Selbstbefähigung», sich etwas aneignen zu können. Brutschin regte an, dass es im Laufe einer Berufskarriere eine obligatorische Auszeit geben sollte, welche für Weiterbildung gevnutzt werden könne. Die Podiumsteilnehmer wiesen mehrfach auf den dringenden Handlungsbedarf bei den Regulierungen hin. Unsere Gesetze – insbesondere das Arbeitsrecht und Arbeitsgesetz – können den Anforderungen der Arbeitswelt von morgen nicht standhalten. «Wenn einem etwas Angst macht, neigt man dazu, sich abzusichern. In der Schweiz macht man das mit Regulierungen. Je mehr wir jedoch regulieren, desto unflexibler werden wir», meinte Gutzwiller. Ihr Appell an die Politik war entsprechend klar: Es gelte, unnötige Regulierungen abzubauen. Auch Mumenthaler sieht bei der Regulierung grossen und raschen Handlungsbedarf. Er zweifle nicht daran, dass wir den digitalen Transformationsprozess technisch schaffen, er habe aber grosse Bedenken, dass wir ihn regulatorisch rechtzeitig umsetzen. Denn eine Begebenheit der Industrie 4.0 sei, dass sich die Ausgangslage sehr schnell ändere. So hänge der Gesetzgebungsprozess konstant hinterher. Es gelte deshalb die Herausforderung pro-aktiv und grundsätzlich anzugehen und nicht mit immer neuen, zusätzlichen Regulierungen darauf zu reagieren. Auf die Frage von Eichler, ob und welche neuen Jobs entstehen, ging Keller auf die Bauindustrie ein. Diese reagiere als Folge von anderen Industrien. Er erwartet eine Standardisierung und Industrialisierung in gewissen Bereichen, was viele Jobs kosten könne. So ginge der Trend in der Bauproduktion weg von Einzelanfertigung hin zu industriellen Vorfertigungen. Ein Teil der Planung wäre dann computergesteuert. Häuser könnten so viel schneller realisiert und gebaut werden. Das wäre eine ziemlich grosse Veränderung, auch für verschiedene Berufsbilder. Martin Eichler schliesst die Runde mit einem passenden Aphorismus von Perikles: Es kommt nicht darauf an, die Zukunft vorauszusagen, sondern darauf, auf die Zukunft vorbereitet zu sein.