«Stadt und Region der Zukunft»
BEF Basel Economic Forum 2018
Wie sehen die Stadt und Region von morgen aus? Wie werden wir in einer digitalen Zeit arbeiten, wohnen, uns fortbewegen? Neue Technologien führen zu grossen Veränderungen. Aber zu welchen? Und wie wirken sich diese auf den Bedarf von Infrastrukturen aus?
Text: «metrobasel report 2018» (S. 8-13)
Das fünfte «BEF Basel Economic Forum» wurde von der baselstädtischen Regierungspräsidentin Elisabeth Ackermann eröffnet. Sie lobte die offenen Grenzen, welche der Region Wohlstand gebracht hätten. «In unserer trinationalen Region leben über 830’000 Menschen, verteilt auf 205 Gemeinden in drei Ländern. Dieser vielfältige und gemeinsam genutzte Lebensraum funktioniert als Ganzes über Grenzen hinweg dank der Kooperation in unzähligen Bereichen und Geschäften.» Ackermann ging auch auf die grossen globalen Megatrends ein, welche für unsere Region eine Herausforderung bedeuten. Als Beispiele nannte sie den raschen technologischen Wandel, die Digitalisierung, den Klimawandel mit seinen Wetterextremen, die Veränderung der demografischen Zusammensetzung der Gesellschaft sowie die zunehmende Ungleichheit zwischen Arm und Reich.
Um die hohe Lebensqualität in der Region zu erhalten, seien gute und abgestimmte Rahmenbedingungen für Innovation und Entwicklung wichtig. Es brauche für die trinationale Mobilität eine Regio-S-Bahn, das Herzstück und den Ausbau des Badischen Bahnhofs. Als Zukunftsprojekte von Basel nannte sie die Entwicklung des Hafenareals und von «3Land», einem neuen Stadtquartier, welches vor Grenzen keinen Halt macht. Dank dem innovativen «Smart City Lab» soll zudem auf dem Transformationsareal Wolf ein modernes, neuzeitliches Quartier entstehen, welches Raum für Innovation bietet und künftigen Anforderungen gerecht werden soll.
Sie schloss mit dem Aufruf «Die Zukunft gestalten wir, indem alle, Wirtschaft, Wissenschaft, Staat, Politik und Gesellschaft sich daran beteiligen».
«Die Digitalisierung und neue Technologien verändern verschiedene Bereiche massiv und rasant, darüber ist man sich einig. Auch die Arbeitswelt, die Mobilität, sowie das Einkaufs- und Freizeitverhalten werden sich verändern, was zu neuen Anforderungen an Infrastrukturen im Siedlungsraum führt», umschrieb Regula Ruetz, Direktorin von metrobasel, das Thema des diesjährigen BEF.
Sowohl McKinsey als auch das WEF (world economic forum) prognostizieren, dass in der Schweiz in den kommenden 10 bis 15 Jahren von rund fünf bis zu 1.2 Millionen Stellen in der Schweiz wegfallen werden. Es würden zwar auch neue Stellen entstehen, aber wenigere und andere. Ruetz stellte die Fragen in den Raum, ob in Zukunft der Pendlerverkehr immer noch 75 %-Anteil am Strassenverkehr der Region ausmache, wo und wie wir bevorzugt einkaufen werden – im Zentrum, an der Peripherie, im Quartier oder entlang unseres Arbeitsweges –, ob Waren in Zukunft immer noch über Strassennetze mit Last- und Lieferwagen transportiert würden oder ob es beispielsweise vermehrt unterirdische Transportsysteme wie «cargo Sous Terrain» gebe, ob das eigene Fahrzeug dann immer noch eine so grosse Bedeutung habe, oder ob vor allem die städtische Bevölkerung nicht vermehrt auf «car sharing» oder «mobility» oder auf per Handy anforderbare selbstfahrende Autos umsteigen würden. Da stelle sich die berechtigte Frage, welche Infrastrukturen wir in zwanzig Jahren benötigen werden, so Ruetz.
Entwicklungsstrategien für München
Der erste Gastreferent, Arne Lorz, Hauptabteilungsleiter Stadtentwicklungsplanung der Landeshauptstadt München, zeigte am Beispiel von München Lösungen und regionale Handlungsstrategien auf, welche als Basis für die Gestaltung von Wachstum und tragfähiger Regionalentwicklung stehen. «Grosse Städte sind ums Auto herum gewachsen, was vermehrt Staus zur Folge hat», meinte Lorz. München weise ein Pendlersaldo von rund 195’000 Personen, also rund 13 % der Stadtbevölkerung auf. Das tägliche Verkehrschaos in und um München sei deshalb enorm.
Da wegen den vielen Staus und langen Anfahrtszeiten auch Pendler mittlerweile vermehrt in der Stadt wohnen möchten, müsse man beim Wohnungskauf durch schnittlich 8.000 €/m2 bezahlen. Immer hin finde mittlerweile ein langsames Umdenken statt, indem sich Unternehmen auch in der Peripherie ansiedeln und so den Pendlerverkehr in die Stadt reduzieren würden. Man sei sich zwar einig, dass nur gemeinsame Lösungen zielführend seien, aber an Gemeindegrenzen stocke dann die Realisation, da kleinen Gemeinden oft die Ressourcen für grössere Investitionen und Infrastrukturprojekte fehlen. München bereitet zurzeit die Internationale Bau Ausstellung (IBA) mit dem Hauptthema Mobilität vor. Dabei soll die IBA einen Weg für Lösungen aufzeigen: «In Räumen mit hohem Entwicklungsdruck muss eine tragfähige Regionalentwicklung mehr denn je durch lösungsorientierte Kooperationen und regional ausgerichtete Handlungsstrategien erfolgen», so Lorz. Diese sollten sich an einer gemeinsamen Perspektive mit Win-Win-Situationen orientieren. Um zukunftsfähige Lösungen zu erreichen, brauche es auch eine akzeptierte Fehlerkultur: «Man muss auch mal Risiken eingehen und auf die Nase fallen», schloss Lorz seine Gedanken zur Entwicklungsstrategie für München.
Nachgeforscht
Prof. Dr. Rolf Dornberger, Leiter Institut für Wirtschaftsinformatik der FHNW, moderierte das Format «nachgeforscht» vom Morgen. «Welches ist ihre Lieblingsstadt und welche drei Wünsche hätten Sie dies-bezüglich?», fragte Dornberger. Lorz zögerte: «Kopenhagen ist ein sehr gutes Beispiel für eine zukunftsfähige Entwicklung, allerdings herrscht dort eine andere Kultur. Stadtkonzepte sind nicht 1:1 übertrag-bar. Es braucht eine am Bedarf und nicht am Markt orientierte Planung und diese dürfe nicht von Egoismen geleitet sein. Das Allgemeinwohl muss im Vordergrund stehen.»
Die Zukunft der urbanen Mobilität
Wie wird sich die Mobilität verändern, insbesondere in urbanen Räumen? Dieser Frage ging Andreas Welter, Future Mobility bei BMW Forschung, in seinen Ausführungen nach. Besondere Herausforderungen seien die Flächennutzung, Luftreinheit und Lärm. Lösungsansätze liegen beim Management von Verkehrssystemen, bei der Infrastruktur und der Entwicklung von Fahrzeugen. Beim Zusammenspiel der Bedürfnisse zwischen Wohnen-Arbeiten-Freizeitgestaltung könnten durch umsichtige Planung unnötige Fehler vermieden werden. Hier sieht er die sogenannte «Smart City» als Ansatz für die Zukunft der urbanen Mobilität: Durch digitale Vernetzung zwischen Individualverkehr (sowohl motorisiert als auch nicht-motorisiert) und ÖV könne der Verkehr viel effizienter werden. «Man sucht sich jeweils per App die geeignetsten Verkehrsmittel für eine (Teil-)Strecke heraus.» Fahrzeuge im urbanen Verkehr sollten mittel- bis langfristig ausschließlich elektrisch angetrieben werden. Um dieses Ziel zu erreichen, müsse die Ladeinfrastruktur allerdings massiv ausgebaut werden. Insbesondere beim Laden@home und @work seien erhebliche zusätzliche Anstrengungen notwendig, zeigte Welter auf. Einen wesentlichen Beitrag zum emissionsfreien innerstädtischen Betrieb würden PHEV (für Englisch plugin hybrid electric vehicle) mit großer elektrischer Reichweite und einer intelligenten Betriebsstrategie liefern. «Diese Fahrzeuge können sowohl den Wunsch der Fahrzeugnutzer nach hoher Gesamtreichweite und flächendeckender Energieverfügbarkeit, als auch die Forderung von Bürgern und Kommunen nach abgasfreiem und geräuscharmem Verkehr in den Innenstädten erfüllen.»
Nachgeforscht
Dornberger fragte Welter, welches die Lösungen für den Verkehr und Verkehrssysteme der Zukunft seien. Diesbezüglich sieht Welter einen Mix: «Es gibt nicht die eine Lösung für den urbanen Verkehr der Zukunft.» Neue ODM (on demand)-Services würden Individualverkehr und ÖPNV (öffentlicher Personennahverkehr) nicht verdrängen, sondern sinnvoll ergänzen. Die E-Mobilität sei dazu ein wichtiger Lösungsbeitrag. Ihre Ausbreitung erfordere aber massive Anstrengungen für die Bereitstellung von ausreichenden Lade-Infrastrukturen @home und @work.
Zukunft der Arbeit
«Unsere Arbeitswelt hat sich enorm verändert: Vor 200 Jahren arbeiteten noch 70 % der Beschäftigten in der Landwirtschaft. Heute sind es nur noch 3 %. Aus der Agrar- wurde die Industrie- und schliesslich die Dienstleistungsgesell schafft. Getrieben durch die Digitalisierung bahnen sich weitere tiefgreifende Veränderungen der Arbeitswelt an, mit weitreichenden Fragen. Wie und wo werden wir künftig arbeiten? Welche Kompetenzen und Fähigkeiten werden gefragt sein? Wird es überhaupt noch genügend Arbeitsplätze für alle geben? Diese Fragen haben auch eine grosse Aus-wirkung auf Themen wie Bildung, Sozialpolitik, Städteplanung und Mobilität.» Dr. Michael Grampp, Chefökonom & Leiter Research, Kommunikation und Digital, Deloitte AG, zeigte auf, wie sich die Arbeit verändern wird.
Arbeitsmodelle wie Teilzeit, Freelancer, Home-Office, Selbständigkeit und Portfolio Karrieren werden zunehmen. Gefragt sind vermehrt Schlüsselkompetenzen wie logisches Denkvermögen, Kreativität, Soziale Intelligenz, ICT und Technik, aber auch Flexibilität.
Wie wir in Zukunft arbeiten werden sieht Grampp so:
«Das Büro der Zukunft muss auf Flexibilität, Zusammenarbeit und Austausch ausgerichtet sein. Es wird mit weniger fixen Arbeitsplätzen auskommen, benötigt gut funktionierende Hard- und Software und es sollte sowohl die Anforderungen der jungen Mitarbeitenden nach mehr Flexibilität als auch den Wunsch der älteren Belegschaft nach Sicherheit und Orientierung vereinen.
Nachgeforscht
Auf die Frage von Dornberger, ob uns die Arbeit ausgehe, meinte Grampp: «Die Arbeit wird uns nicht ausgehen. Zwar macht der Fortschritt gewisse Jobs obsolet, aber es entstehen auch neue Berufsbilder und somit neue Jobs. Ein Mix aus verschiedenen Schlüsselkompetenzen wird wichtiger, um arbeitsmarktfähig zu sein. Auch ortsunabhängiges Arbeiten wird zunehmen.»
Panel Talk
Unter der Gesprächsleitung von Prof. Dr. Rolf Dornberger diskutierten Arne Lorz, Andreas Welter, Dr. Michael Grampp und Frithjof Finkbeiner, Mitglied des Club of Rome, welchen Einfluss die Digitalisierung auf unsere Städte und Regionen hat. Ein paar Statements aus der Diskussionsrunde:
Welter: «Es braucht noch einen langen Weg zur Nachhaltigkeit. Eine 700 kg schwere Autobatterie stellt ein grosses Problem dar, zudem braucht es für deren Herstellung «knappe Rohstoffe». Letztendlich ist Elektromobilität im urbanen Raum als zukünftiger Weg aber unbestritten.»
Finkbeiner: «Wir müssen Lösungen beherzt angehen. Auf die Jugend zu warten, dass sie die Probleme angeht, ist keine Option. Dann ist es zu spät für sie. Wir müssen ihnen heute helfen.»
Grampp: «Die Medien bauschen auf und verstellen den Blick auf die realen Probleme.»
Welter: «Menschen schaffen das, was sie wollen. Zum Beispiel schaffte er es auf den Mond und wieder zurück zu gelangen.»
Lorz: «Ich würde nicht von Angst, sondern von Sorge sprechen, dass es meinen Lebensstil beeinträchtigen könnte. Saturierte Menschen empfinden Veränderungen als etwas Negatives. Der Mensch will «zusätzlich» und nicht «anstelle von». Hier müssen wir Angebote bei der Mobilität schaffen.»
Welter: «Die Mobilitätsangebote werden vielfältiger und spezifischer. Die Kunst besteht darin, die Stärken der Systeme zu kombinieren und dem Kunden einfachen Zugriff zu ermöglichen.»
Breakout Session zu «Leben und Arbeiten in der Zukunft»
Im Mittelpunkt stand die Frage, welche Änderungen in der Arbeitswelt in den nächsten Jahren zu erwarten sind. Wie beeinflusst die Digitalisierung unsere Arbeits-prozesse und das Arbeitsumfeld? Die Breakout Session wurde von Dr. Uwe H. Böhlke, Präsident metrobasel, moderiert.
Barbara Gutzwiller, Direktorin des Arbeitgeberverbands Basel, wies gleich zu Beginn der Diskussion auf die engen Grenzen des Arbeitsgesetztes hin. Aus Sicht des Arbeitgeberverbands kann das heutige Arbeitsgesetz mit den aktuellen Bedürfnissen der Wirtschaft schlicht nicht mehr mithalten, insbesondere nicht hinsichtlich der flexiblen Arbeitszeiten. Gutzwiller hob auch die grossen Mängel beim Vorsorgesystems hervor. Unser heutiges System gehe davon aus, dass wir rund 40 Jahre Vollzeit arbeiten. Sei dies nicht der Fall, wegen Teilzeitanstellung etc., weise unsere Vorsorge riesige Lücken auf.
Dr. Daniel Brüllmann, Head of Real Estate Switzerland der UBS, plädierte dafür, dass die Regulierungen neu gedacht werden müssen, um die Entwicklung von geeigneten Arbeitsräumen sicher zu stellen. Heute gäbe es klar definierte und getrennte Zonen für Arbeiten und Wohnen. Die neuen Arbeitsmodelle sähen aber oft eine gemischte Form vor, wo man sich aufhalte, wohne oder arbeite. Die verschiedenen Modelle würden in Zukunft vermehrt vermischt und schwer zu trennen sein. Arbeiten würde man oft auch von zuhause aus, respektive nicht ausschliesslich an einem dafür eingerichteten Arbeitsplatz.
Prof. Dr. Jörg Rieskamp, Abteilungsleiter, Economic Psychology, Fakultät für Psychologie an der Universität Basel, erklärte, dass es beim Digitalisierungsprozess nicht nur darum gehe, Arbeit zu ersetzen, sondern auch Arbeit zu verändern. Ein Arzt werde Zugriff auf hochkomplexe Expertensysteme haben und dadurch seine Arbeitsabläufe neu definieren. Seine Tätigkeit als Arzt würde aber nicht ersetzt. Der Psychologieprofessor wies darauf hin, dass Arbeitnehmende nicht die totale Flexibilität suchen. Deshalb würden co-working-spaces kreiert, um soziale Verbindungen pflegen zu können. Der Mensch suche Geborgenheit und Rahmen. «Zwar nehmen Flexibilisierung und Teilzeitarbeits-modelle zu, Arbeitnehmende möchten aber nicht isoliert werden,» so Rieskamp.
Böhlke fasst am Ende zusammen: Die Veränderungen finden statt, ob wir wollen oder nicht. Jeder ist gefordert, seine eigene Entwicklung in die Hand zu nehmen und sich an «life long learning» zu gewöhnen. Bei der Gesetzgebung gibt es noch Aufholbedarf und Defizite. Mit einer positiven Einstellung können wir aber viel erreichen.
Breakout Session zu «Zukunftsvisionen zu Raum und Mobilität»
«Wer Visionen hat, soll zum Arzt gehen». Mit diesem Zitat vom ehemaligen deutschen Bundeskanzler Helmut Schmidt eröffnete Christian Häfelfinger, Verwaltungsleiter der Gemeinde Binningen, die Breakout Session. Er fragte den Oberbürgermeister der Stadt Lörrach, Jörg Lutz, inwieweit dieses Zitat für ihn gelte. OB Lutz erwiderte, dass es immer Visionen brauche, um etwas bewegen zu können. Die Politik sei aber oft schwerfällig, Kompromisse kurzfristig ausgelegt und Visionen schwierig voranzutreiben. Deshalb müsse man Schritt für Schritt vorgehen.
Lukas Ott, Leiter Kantons- und Stadtentwicklung Basel-Stadt, regte an, eine Langzeit-Optik einzunehmen, um visionär zu sein. Es sei wichtig, das grosse Ganze im Blick zu behalten und dabei Akteure nicht gegeneinander auszuspielen. Als Beispiel eines sowohl wünschbaren als auch realisierbaren Zukunftsbildes nannte er das Entwicklungsprojekt «Basel 2050». Bei diesem Projekt soll die Vision einer polyzentrischen Stadt mit kurzen Wegen um-gesetzt und dadurch das Verkehrsvolumen reduziert werden. Die Reduzierung des Verkehrsaufkommens sei eine grosse und nicht immer einfache Aufgabe, meinte Lutz, da die Infrastrukturen in der Region um das Auto herum realisiert worden und in den 1970ern steckengeblieben seien. Lörrach habe diesbezüglich aber bereits viel umgesetzt. Beispielsweise den Park-platzrückbau, um hochwertige, öffentliche Plätze für die Menschen zu schaffen.
Als Beispiel für eine visionäre Arealentwicklung nannte Dr. Beat von Wartburg, Direktor der Christoph Merian Stiftung (CMS), das Dreispitz Areal, welches in Ko-operation mit Herzog & de Meuron trans-formiert und umgebaut werden soll. Dabei gäbe es unterschiedliche Bedürfnisse, An-liegen und Vorgaben vonseiten Politik, Verwaltungen und privaten Akteuren zu beachten. Dank einer gewissen Flexibilität gelänge es der CMS aber, auf verschiedene Interessen einzugehen.
Ott plädierte dafür, dass eine Vision mutig sein dürfe und auch radikale Utopien beinhalten solle. Warum Infrastruktur nicht unterirdisch planen und bauen? Auf dem IST-Zustand für die Zukunft aufzubauen, sei ein Fehler. Er forderte trinational verknüpfte Innovationsnetzwerke. Da könne metrobasel eine wichtige Rolle übernehmen und Prozesse anstossen, so Ott. Diesen Voten pflichtete Mike Keller vom Trinationalen Eurodistrict Basel und Gemeindepräsident von Binningen bei. Unter der Leitung von Christian Häfelfinger wurden Visionen zur Stadt und Region diskutiert. Einig war man sich, dass es eine ganzheitliche, grenzüberschreitende Betrachtungsweise und einen Austausch aller Akteure brauche, da die Zukunft der Stadt in der Region des Dreiländerecks liege.
Smart World
Die Digitalisierung durchdringt zunehmend alle Lebensbereiche der Menschen – von der Kindheit bis zum hohen Alter, in der Arbeit sowie im privaten Leben. Prof.Dr. Rolf Dornberger schilderte, wie sich die Hardware und die Software verändert haben (lesen Sie mehr dazu auf S. 18). Mit Beispielen ging er darauf ein, wie smart die Welt von morgen sein wird und welchen Einfluss ausgewählte Entwicklungen auf den Raum und die Mobilität haben werden. Dornbergers These lautete: «Entweder geht die Mobilität mit fliegenden Autos in die Luft, oder unter die Erde. In beiden Fällen braucht es neue Verkehrskonzepte.»
Für die Zukunft sieht er den Einsatz von 3D-Druckern, Drohnen und Robotern. Die-se würden immer menschenähnlicher und übernehmen laufend neue Funktionen. «Sie werden die Menschen beim Arbeiten unterstützen – und nehmen dem Menschen Arbeit ab oder weg – und sie benötigen kaum Wohn- und Arbeitsraum.»
Dornberger warnte aber auch: Die Entwicklung neuer Technologien gehe rasant weiter. Da bestehe eine nicht unerhebliche Gefahr, dass den Menschen die Artificial Intelligence (AI) wie Robotics oder Biotechnologie entgleite. «Die Zukunft hat zwei Extreme: utopisch schön und desaströs schlecht.» Die Realität liege irgendwo dazwischen.
nachgeforscht Dr. Brigitte Guggisberg, Geschäftsleiterin des WWZ Forum, Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät der Universität Basel, ging auf das Spannungsfeld zwischen Chancen und Risiken von «AI» ein. «Die treibende Kraft ist die Neugier des Menschen. Es gibt natürlich unterschiedliche Menschen mit verschiedenen Denkweisen bezüglich des Datenschutzes oder der Gesetzgebung. Da stellen sich auch ethische Fragen und Fragen der Nachhaltigkeit», so Dornberger.
Wie wir heute dafür sorgen, dass Basel auch morgen mobil ist
«Basel wächst: In den letzten zehn Jahren entstanden in Basel 20‘000 neue Arbeitsplätze, und seit kurzem zählt die Bevölkerung 200‘000 Einwohnerinnen und Einwohner», freute sich Dr. Hans-Peter Wessels, Regierungsrat und Vorsteher des Bau- und Verkehrsdepartements Basel-Stadt. Mit dem Wachstumstrend erhöhe sich aber der Druck auf die Infrastrukturen und auf den Wohnungsmarkt. Da längst nicht alle, die in Basel arbeiten, hier auch eine Wohnung finden, steige die Anzahl der Pendler. Um die Lebensqualität mittel- und langfristig zu erhalten, müssten die innere Verdichtung und die Infrastrukturen vor allem für den öffentlichen und den Langsam-Verkehr weiterentwickelt werden. Ein Grossteil der Basler «Kernstadt», liege in der Agglomeration, also in Lörrach oder in Baselland. Auch wenn ein Teil der Universität auf den Dreispitz nach Münchenstein verlagert würde, bleibe sie immer noch in der Kernstadt.
«Für die innere Stadtentwicklung steht – entgegen landläufiger Meinung – genügend Platz zur Verfügung: Über 100 Hektaren auf unternutzten Arealen, etwa auf dem Lysbüchel, dem Wolf oder im Klybeckareal von Novartis und BASF, bieten grosse Potenziale für Arbeits-, Wohn- oder Freizeitnutzungen. Die hier angestrebte Verdichtung bringt viele Chancen für eine attraktive Stadt. Neben der inneren Stadtentwicklung ist für Basel-Stadt aber auch die grenzüberschreitende Planung mit unseren trinationalen Nachbarn von grösster Bedeutung.»
Die Metropolitanregion und ihr urbanes Potential
«Was ist eine Stadt? Wo beginnt die unberührte Landschaft? Und wie stehen beide in Bezug zueinander?» Diesen Fragen ging Adrian Keller, CEO Herzog & de Meuron nach. Die Schweiz werde gemäss Einschätzung des Bundesamtes für Statistik BFS bis 2040 über zehn Millionen Einwohner haben. Die Siedlungsentwicklung soll in einem definierten Raum stattfinden - so will es das Raumplanungsgesetz RPG. Entsprechend gewinne die Siedlungsentwicklung nach innen an Bedeutung, erklärte Keller. Man müsse dabei unbedingt beachten, welche infrastrukturellen Anforderungen es brauche, um dieses Wachstum erträglich zu machen und wie man in einem verdichteten urbanen Raum dem Bedürfnis der Menschen nach Lebensqualität, Wohlbefinden und Sicherheit gerecht werden kann.
«Basel kann sich nicht allein entwickeln, sondern nur mit der Agglomeration zusammen.» Wir seien aber in einer komfortablen Situation, da wir Areale mit Entwicklungspotential hätten. So zum Beispiel beim Badischen Bahnhof, dem Dreispitz und auf den SBB Arealen. Herzog & de Meuron, bekannt für seine ikonischen Bauten auf der ganzen Welt, habe sich immer auch mit städtebaulichen Fragen auseinandergesetzt und diverse Masterpläne für die Region entworfen, beispielsweise für den Barfüsserplatz, den Marktplatz, oder den Dreispitz. Nicht zuletzt habe das Büro auch die Pläne für den Bahnknoten mit dem «Herzstück» (Durchmesserlinie) konzipiert, der für den S-Bahnverkehr der gesamten trinationalen Region von fundamentaler Bedeutung sei, so Keller.
Nachgeforscht
Guggisberg wollte von Keller wissen, wie er die zersplitterte Grenzregion für die Entwicklung von grossen Infrastrukturprojekten sehe. Dieser Fakt erschwere vieles, meinte Keller. Die politischen Grenzen in der Metropolitanregion seien am falschen Ort. Das Herzstück würde beispielsweise nur zu einem kleineren Teil für die Kernstadt Basel und die Agglomerationsgemeinden in Baselland gebaut. Einen grossen Nutzen hätten die Pendler in den angrenzenden Räumen in Deutschland und Frankreich. Diese Regionen hätten allerdings bei der Umsetzung und in Bern keine Stimme.
Dichter, höher, komplexer – Nutzungs- und Erwartungsdruck steigen: Städte-bauliche Entwicklungen am Beispiel des Grundbesitzes der Christoph Merian Stiftung
Mit ihrem grossen Grundbesitz in der Region Basel beteilige sich die öffentlich-rechtliche Christoph Merian Stiftung (CMS) seit der Mitte des 19. Jahrhunderts an der städtebaulichen Entwicklung der Stadt Basel und ihrer Agglomeration, erklärte Dr. Beat von Wartburg, Direktor der Christoph Merian Stiftung CMS. Die CMS nahm dabei verschiedene Rollen ein: Sie war als eine vom Staat Enteignete Opfer der urbanen Expansion, sie profitierte aber auch von der Landwertsteigerung. Mal wurde über ihren Kopf hinweg geplant, mal war sie selbst städtebauliche Entwicklerin und Bauherrin. Heute will sie auf dem 50 Hektaren grossen Dreispitz-Areal eine zukunftsweisende Transformation realisieren. «Bloss, was ist zukunftsfähig? Wie bauen, ohne sich die Zukunft zu verbauen?» fragte von Wartburg und zeigte die Entwicklungsstrategie des Dreispitz-Areals auf. Der Status quo sei keine Option, denn es dürfe keine Brachen geben. Die CMS möchte das Areal öffnen und gleichzeitig zusammenführen. So würden die bestehenden Quartiere erweitert, während der Dreispitz mit dem Ruchfeld in Münchenstein und dem Gundeli-Ost in Basel zusammenwachse. Zeitlich und räumlich etappieren und kooperieren, das Mögliche möglich machen, verdichten und konzentrieren, sei hier die Devise. Dies bringe Allen Vorteile.
Die Arbeitsplätze auf dem Areal sollen langfristig verdoppelt werden – mit bisherigem und neuem Gewerbe. Gleichzeitig soll neuer Wohnraum entstehen, ohne das Gewerbe zu verdrängen oder Nutzungskonflikte auszulösen. Hinsichtlich der Mobilität sieht er eine Umnutzung von Bahnstrassen für den Langsam-Verkehr. Da Kultur, Freizeit und Gastronomie zur Lebensqualität beitragen würden, sollen urbane und ökologische Freiräume entwickelt werden, und so die Durchmischung fördern. Vor Ort einkaufen und produzieren entsprächen dem Zielbild von kurzen Wegen.
nachgeforscht
Guggisberg ergänzte, dass ein Blick in die Vergangenheit zeige, wie stark Städtebau, Nutzung und Zeitgeist zusammenhängen. Und ein Blick in die Zukunft offenbare, dass die Ressource Land immer knapper würde. Deshalb gelte es, dichter und höher zu bauen, auch wenn dabei alles noch komplexer werde, fügte von Wartburg an.
Nachhaltigkeit und Raumentwicklung
Im letzten Referat des Nachmittags ging Frithjof Finkbeiner, Mitglied des Club of Rome, auf den Aspekt Nachhaltigkeit bei der Raumentwicklung ein. «Die Klimapolitik braucht neue Player: Die Unternehmen.» Nur sie können dabei helfen, die Erderwärmung auf 2°C zu begrenzen. Das Klimaabkommen von Paris werde dafür nicht reichen. China habe in 5 Jahren so viel Beton verbaut worden, wie die USA in ihrer gesamten Geschichte. «Wir steuern auf +4°C zu. Und damit auf eine weltweite Katastrophe.» Es gäbe einen Weg aus der Klimakrise, und der führe in den Wald: Die günstigsten, effektivsten und kinderleicht vermehrbaren CO2-Speicher sind Bäume. In den kommenden 10 Jahren müssen wir deshalb 1.000 Milliarden Bäume in die Erde bringen, um so CO2 zu speichern und einen Zeitjoker zu erhalten, appellierte Finkbeiner.
Podium
Das Podium zum Abschluss des BEF wurde von Patrick Marcolli, Chefredaktor bz Basel/Basellandschaftliche Zeitung moderiert. Sämtliche Referenten des Nachmittags sowie Barbara Gutzwiller diskutierten, wie sich der Temperaturanstieg und damit die teilweise verheerenden Auswirkungen auf den Raum verhindern liessen und wie der Siedlungsraum zukunftsfähig entwickelt werden soll. Ein paar Statements dazu:
Dornberger: Die positiven Auswirkungen der Technologie sind – richtig eingesetzt – riesig. An Konferenzen sind sehr viele asiatische Wissenschaftler, die ihre Projekte wegen weniger restriktiver Regulierung bedeutend schneller umsetzen können, als die Europäer oder Amerikaner.
Gutzwiller: Wir sind zwar langsamer, dafür aber auch breiter abgestützt, durch Rechts- und Investitionssicherheit.
Keller: Nachhaltige Entwicklung muss massiv an Bedeutung gewinnen. Uns fehlen hier allerdings wirksame, global ausgerichtete (Arbeits-)Gesetze.
Ott: Westring, Auto, Gewerbe, sind da die Lösungsansätze und Modelle nicht vom letzten Jahrhundert? Wir dürfen uns unsere Handlungsspielräume für die Zukunft nicht verbauen. Wir müssen vielmehr Ressourcen schonen, um die Lebensqualität zu erhalten. Global denken und lokal handeln dürfen wir nicht anderen wie zum Beispiel Google überlassen.
von Wartburg: die CMS hat ein Gebiet auf dem Dreispitz ausschliesslich für Gewerbe ausgeschieden. Aber was ist heute «Gewerbe»? Auch IT oder Architektur fallen darunter. Da müssen wir Raum für Veränderung schaffen und neue Schnittstellen anbieten.
Gutzwiller: Es braucht das Gewerbe, da werden noch niederschwellige Stellen für weniger hochqualifizierte Fachkräfte angeboten. Wie sollen diese Menschen sonst ihren Lebensunterhalt bestreiten?
Keller: Ein Quartier muss sich entwickeln können, sonst stirbt es. Ein Beitrag zur Nachhaltigkeit ist die Stadt der kurzen Wege.
Finkbeiner: Autonomes Fahren verringert die Standzeiten. So können wir viele Flächen in der Stadt frei bekommen.
Ott: Beim Thema Nachhaltigkeit dürfen wir auch den Arbeitsmarkt nicht vernachlässigen. Denn durch Arbeitsplätze «um die Ecke», lässt sich die Stadt der kurzen Wege verwirklichen.
von Wartburg: Leider unterliegt auch das produzierende Gewerbe einem Strukturwandel und durch die Verlagerung der Produktion werden Arbeitsplätze in der Region abgebaut.
Marcolli an Keller: Können Innenstädte mit Konzepten von früher wiederbelebt werden? Das Herzstück führt doch dazu, dass Menschen wegziehen, da sie mit dessen Umsetzung schnell in der Stadt sind.
Keller: Wir brauchen leistungsfähige Infrastrukturen, um die Innenstadt attraktiv zu machen und wenn wir hochqualifizierte Fachkräfte in Basel beschäftigen wollen. Nicht alle können in Basel wohnen. Wir müssen langfristig denken. Der ÖV bildet dabei das Rückgrat.
Gutzwiller: Grenzgänger- und Expats-Zahlen sind rückläufig. Wir planen Infrastrukturen, aber brauchen wir diese übermorgen überhaupt noch?
Dornberger: Wir alle, Politik und Wirtschaft stecken heute und morgen zu sehr im Operativen und denken zu wenig visionär an übermorgen. «Toll, wenn dieser Herbst wärmer ist. Aber was ist übermorgen?»
Finkbeiner: Auch mit +4° wird die Erde sich weiterdrehen. Aber es wird für die Menschheit hässlicher. Was sagen wir unseren Kindern, was wir getan haben? Unsere Generation hat Probleme verursacht aber auch als erste die Klimaerwärmung erkannt. Und sie ist die letzte Generation, die diese Probleme lösen kann und muss.
Regula Ruetz bedankte sich zum Schluss im Namen der Träger bei allen Teilnehmenden und lud zum kleinen Imbiss ein. Im Anschluss waren die BEF-Gäste eingeladen, der Verleihung des Jungunternehmerpreises Nordwestschweiz 2018 beizuwohnen.